Aktuell: Erste Stellungnahme der EU-Kommission zum modelo 720

Entgegen anders lautenden Gerüchten hat die EU-Kommission momentan noch kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien im Zusammenhang mit dem modelo 720 eingeleitet.

Ihr liegen aber bereits eine Reihe von Anzeigen vor, zu denen sie gemeinsam mit einem unter dem Namen Pilot 5652/13/TAXU bekannt gewordenen Schreiben Stellung genommen hat. Folgender Link enthält eine Kopie des Schreiben, welches die spanischen Steuerberatervereinigung AEDAF erhalten hat: Pilot 5652/13/TAXU.

Von den vielen Argumenten, die gegen die Vereinbarkeit des modelo 720 mit europäischem Recht ins Feld geführt werden, wird die Kommission wohl nur zwei weiterverfolgen:

1. Einerseits, dass die Sanktionen die Kapitalverkehrsfreiheit einschränken könnten, wenn sich herausstellt, dass ihre Anwendung in der Praxis eine systematische, unverhältnismäßig hohe Bestrafung von weniger schwerwiegenden Fällen ohne wirtschaftlichen Schaden bedeutet, was sich aber erst noch zeigen müsse.

Wörtlich behauptet die Kommission, „keinerlei Kenntnis davon zu haben, (…), dass die Verwaltungspraxis systematisch eine rigorose Bestrafung aller kleineren Verstöße im Zusammenhang mit der Deklarierung mit sich bringt, selbst wenn sich keine Auswirkungen auf die Steuerschuld (…) ergibt.“ Deshalb bittet sie Betroffene sogar ausdrücklich, entsprechende Sachverhalte mitzuteilen.

Mir persönlich ist absolut rätselhaft, welche Zweifel an einer systematischen, rigorosen Bestrafung von Bagatellen ohne jeden wirtschaftlichen Schaden für den Fiskus noch bestehen können, soweit es um die Sanktionierung mit 100 € pro Vermögenselement, zugleich 1.500 € Mindestsanktion pro Kategorie für die freiwillige, wenngleich verspätete Abgabe des modelo 720 geht, bei der sich das Bußgeld für zwei ehrliche, aber einen Tick zu langsame Eheleute mit einem gemeinsamen und immer korrekt versteuertem Standardwertpapierdepot leicht auf 10.000 € summiert. Hierbei sehen die Sanktionsnormen keinerlei Ermessensspielraum vor, der in der „Verwaltungspraxis“ irgendeine Linderung bringen könnte. Die Praxis steht damit schon jetzt fest. Dass die Verspätung keinerlei Auswirkungen auf die Steuerschuld hat, ergibt sich schon daraus, dass es sich beim modelo 720 um eine rein informatorische Erklärung handelt. Bei der bloßen Verspätung wird auch nichts versteckt, also etwa potentiell der Besteuerung entzogen. Im Gegenteil, die Besteuerung wird erleichtert, was eigentlich belohnt werden sollte.

2. Andererseits meldet die EU-Kommission Bedenken hinsichtlich der Unverjährbarkeit im Zusammenhang mit den sog. „ungerechtfertigten Vermögensgewinnen“ aufgrund ausländischen, nicht oder nicht fristgerecht deklarierten Auslandsvermögens an. Jedoch auch hier, nicht ohne den einschränkenden Hinweis, dass eine gewisse Ungleichbehandlung bei ausländischem Vermögen durchaus gerechtfertigt sein kann.

Hierführ hätten wir das EU-Recht wohl nicht gebraucht: Dass es bei der faktischen Unverjährbarkeit nicht mit rechten Dingen zugehen kann, liegt schon nach spanischem Vefassungsrecht auf der Hand (Stichwort Rechtssicherheit). Und wenn wir schon Verfassungsprinzipien bemühen, dann dürfte das Verbot der echten Rückwirkung das einfachere Argument sein, soweit Vermögen betroffen ist, hinsichtlich dessen Erwerb die Verjährung nach einst geltendem Recht bereits voll erlangt worden war.

Im Ergebnis klingen die ersten offiziellen Verlautbarungen der EU zum modelo 720 eher enttäuschend. Vielleicht sollten die Betroffenen doch mehr Hoffnung in das spanische Verfassungsgericht setzen. Dieses kennt seine „Pappenheimer“ (das „ministerio de hacienda“) schließlich und sieht hoffentlich gleich, wo der Haase langläuft: Abschreckung mit unverhältismäßig hohen (d.h. unzulässigen) Sanktionen, mit dem (lobenswerten) Ziel, schwarze Vermögen ans Licht zu bringen; aber mit dem gesetzestechnischen Mangel, bei den speziellen Sanktionen versteuertes und unversteuertes Vermögen über einen Kamm zu scheren; und mit der Nebenwirkung, an Auslandsvermögen so hohe und schwer zu erfüllende formelle Anforderungen zu stellen, dass man schon lebensmüde sein muss, sein Kapital nicht in Spanien anzulegen, worin die Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit liegt, soweit  in der EU angelegtes Vermögen betroffen ist.